Kritik ist in unserer Gesellschaft leider oft negativ belegt. Dabei hilft ein Blick zum Ursprung des Wortes für ein besseres Verständnis.
Kritik kommt aus der griechischen Sprache und bedeutet „Entscheidung“.Es ist also nichts anderes gemeint als ein Impuls, der dabei hilft, eine Entscheidung zu treffen. Ein negativer Impuls ist „Dein Kleid steht dir nicht“, ein positiver Impuls wäre „Das Kleid steht dir sehr gut“. Beide Aussagen sind Kritik. Die beste Kritik ist konstruktiv, also aufbauend. „Trag doch die schwarze Stola zu dieser Jacke.“Kritik ist also etwas, was wir brauchen und uns wünschen sollten.Mit „Meckern“  hat Kritik nichts zu tun. Auch selbstkritisch zu sein heißt nicht sich „runterzumachen“.

Gesunde Selbstkritik als Leitfaden für die eigene Entwicklung

Selbstkritisch sein
Der Dichter Christian Morgenstern hat Kritik in einem Zitat sehr gut erfasst: "Es gibt Menschen, die sich immer angegriffen wähnen, wenn jemand eine Meinung ausspricht."

Hier wird deutlich, dass Kritik eben kein Angriff ist.

Helmut Schmidt, der weise und geachteter deutsche Staatsmann, sagte: "Wer Kritik übel nimmt, hat etwas zu verbergen." Im Sinne der beiden Zitate ist Selbstkritik eine wertvolle Fähigkeit, um die eigenen Potenziale zu stärken und Schwächen anzunehmen.

 

Was ist Selbstkritik?

 

Selbstkritisch bist du, wenn du dich mit deinen positiven und deinen negativen Eigenschaften befasst. In der modernen Arbeitswelt sprechen wir von einer https://de.wikipedia.org/wiki/SWOT-Analyse SWOT-Analyse. Beginne damit, dich selbstkritisch zu betrachten, indem du eine kleine Analyse über dich anstellst. Dafür brauchst du Ruhe, Papier und Stift. Das Kunstwort SWOT setzt sich zusammen aus

Strengths – Stärken
Weaknesses – Schwächen
Opportunities – Chancen
Threats – Risiken

1) Deine Stärken

Notiere dein Stärken. Alles, was du in deinen eigenen Augen gut kannst und was dir an dir gefällt, darf hier stehen. Niemand wird deine Selbstkritik sehen, halte dich also nicht zurück. Unterteile deine Liste in verschiedene Bereiche.
Berufliche Fähigkeiten
Hier kannst du deine Kompetenzen wie Teamgeist, Gründlichkeit und andere eintragen.
Private Vorzüge
Hier stehen Stärken wie Familiensinn, Hilfsbereitschaft und vieles mehr.
Körperliche Stärken
Besonders schöne Haare oder hübsche Augen werden hier notiert.
Werteorientierung
Werte, an denen du dein Leben ausrichtest wie Toleranz, Gerechtigkeit oder Gleichheit gehören in diese Spalte
Sonstiges
Allgemeine Stärken wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit und andere stehen in diesem Bereich deiner Liste.
Nimm dir Zeit, alle Stärken zu finden. Es werden viel mehr sein als du jetzt denkst.

2 ) Deine Schwächen

Verfahre hier wie oben. Nutze die gleichen Kategorien und notiere Schwächen wie das HelfersyndromImpulsivität oder einen Hang zum Grübeln. Dann lege deine Ergebnisse zur Seite und nimm sie erst am nächsten Tag wieder zur Hand.

3) Die Chancen

  • Welche Chancen ergeben sich aus deinem Bild von dir?
  • Welche Stärken beachtest du viel zu wenig?
  • Und wo versuchst du, deine Schwächen zu verbergen?
  •  Was kannst du aus dir machen?

In diesem Bereich findet die Vision von dir selbst Platz. Sicher bist du wunderbar!

4) Die Risiken

Bestimmte Schwächen wie fehlende Disziplin oder das Helfersyndrom können deinen Weg zum Ziel erschweren. Notiere, welche Risiken du beachten willst und ob es einen Weg gibt, sie zu minimieren.

Wie viel Selbstkritik ist gesund?

Wenn du Selbstkritik richtig verstehst, kann sie gar nicht groß genug sein. Doch sei vorsichtig. Verwechsle Selbstkritik nicht mit Selbstzweifeln. Wenn du stets das Gefühl hast, nicht gut genug zu sein, betonst du deine Schwächen zu stark.

Halte die Stärken und die Schwächen im Gleichgewicht.

Die meisten Menschen haben in etwa gleich viele positive wie negative Faktoren in ihrer Persönlichkeit. Das ist vollkommen normal. Du bist also ein perfekter Mensch, wenn auch bei dir das Verhältnis stimmt.

Die Ursachen für Selbstzweifel

Wenn dein Bild von dir selbst zu einseitig ist, liegen die Ursachen meist in der Erziehung. Die meisten Menschen sehen sich selbst zu negativ und sind mit sich selbst nicht zufrieden. Neben der Erziehung spielen noch andere Faktoren eine Rolle, wenn du zu den Selbstzweiflern gehörst.

Fehlendes Lob in der Kindheit

Kinder, deren Eltern stets die Fehler und Schwächen betonen, werden zu Zweiflern an sich selbst. Menschen brauchen Lob und Anerkennung. Die Eltern sind die ersten Kontakte, die dem Kind seine Stärken zeigen können. Zeigen Sie dem Kind nur die Fehler, lernt das Kind nicht alle seine Facetten kennen. Es wird sich stets „ungut“ fühlen und steht in der Gefahr, sich zu überfordern und zu viel von sich zu verlangen.

Überforderung

Wenn du dich einer Aufgabe stellst, der du (noch) nicht gewachsen bist, wirst du scheitern. Überforderung führt dazu, dass du negative Erfahrungen mit dir selbst machst. Das schädigt dein Selbstwertgefühl und bringt dich dazu, dich in einem schlechten Licht zu sehen.

Gesellschaftlicher Druck

„Man muss….“ist ein Satzanfang, der wie Folter auf die Selbstkritik wirkt. „Man muss schön, schlank und reich sein.“ „Man muss eine perfekte Mutter/ ein perfekter Vater sein.“ „Man muss Karriere machen.“ „Man muss seinen Haushalt in Ordnung halten.“ Diese gesellschaftlichen Erwartungen erzeugen Druck. Niemand kann alles leisten, was die Gesellschaft fordert. So entsteht das Gefühl von Versagen. Und wer ist eigentlich der Herr „Man“?

Bist du zu selbstkritisch?

Die Frage ist nicht ganz richtig formuliert, wie du bereits weißt. Sie sollte lauten: „legst du einen zu großen Fokus auf deine Schwächen?“ Beantworte die folgenden Fragen mit „Ja“ oder „Nein“. Ein „vielleicht“ gibt es nicht.

1. Wenn etwas schief geht, gebe ich mir selbst oft die Schuld.
2. Ich bin oft nervös, wenn ich anderen von meinen Plänen erzähle.
3. Ich finde mich nur mäßig attraktiv.
4. Andere haben tolle Eigenschaften, die mir leider fehlen.
5. Ich müsste mich mehr anstrengen, um meine Ziele schneller zu erreichen.
6. Es gibt viele Bereiche, in denen ich anderen unterlegen bin.
7. Ich bewundere einen anderen Menschen für seine Fähigkeiten.
8. Ich stehe ungern im Mittelpunkt.
9. Ich bin ersetzbar.
10. Andere leisten mehr zum Wohle der Gemeinschaft als ich.
11. Ich hätte mehr aus mir machen sollen.
12. Ich fühle mich manchmal als Versager.
13. Ich habe anderen nicht wirklich viel zu geben.
14. Es gibt keinen Bereich, in dem ich wirklich gut bin.
15. Lob und Anerkennung sind mir oft unangenehm.

Zähle jetzt die positiven Antworten zusammen. Wenn du mehr als fünf der Aussagen bejahen kannst, bist du zu selbstkritisch, wenn du zehn oder mehr Aussagen bejaht hast, solltest du darüber nachdenken, ob du professionelle Hilfe gegen Minderwertigkeitsgefühle in Anspruch nehmen willst. Wer zu selbstkritisch ist, hat meist zu wenig Selbstbewusstsein.

Selbstkritisch werden statt an sich zweifeln

Wenn du zu der Mehrheit der Menschen gehörst, die selbstkritisch zu dem Ergebnis kommen, nicht wertvoll und gut genug zu sein, kannst du ein paar Hinweise befolgen, um dich zu verändern.

1. Lege selbstkritisch den Fokus auf deine Stärken. Schreibe deine drei größten Stärken auf und hänge den Zettel an den Badezimmerspiegel. Starte mit der folgenden Affirmation in jeden neuen Tag:
"Ich bin wertvoll. Auf meine Stärken bin ich stolz."

2. Freunde dich mit deinen Schwächen an und nimm sie mit Humor. Gib den Schwächen eine Form. So, wie der innere Schweinehund eine Form für fehlende Disziplin ist, kann zum Beispiel eine graue Maus die Form für Schüchternheit sein. Stelle dir deine Schwächen vor und rede in Gedanken mit ihnen. Frage sie, was du tun musst, damit sie verschwinden. Lerne, mit ihnen zu leben und zu kooperieren. Du wirst erstaunt sein wie sich deine Schwächen zum Positiven hin verändern.